Biorespect - Wir hinterfragen Biotechnik

Fortpflanzung um jeden Preis?

Nicht immer gelingt die Fortpflanzung auf natürlichem Weg. Die In-vitro-Fertilisation gilt inzwischen als etabliertes Verfahren. So hat sich die Vorstellung einer scheinbar grenzenlosen, technischen Machbarkeit durchgesetzt. Der Embryo steht durch die technischen Verfahren in-vitro zur Verfügung und auf dem Prüfstand. Dies gilt auch im Bereich der pränatalen Diagnostik

Technische Fortpflanzungsverfahren aber sind nicht ohne Risiko: Von der Hormonbehandlung für Frauen bis hin zum erhöhten Herz-Kreislaufrisiko für so gezeugte Kinder werden die Risiken der Verfahren nicht ausreichend thematisiert. Eine ausführliche Aufklärung und Beratung Betroffener vor Inanspruchnahme der Verfahren ist daher essenziell. In der Praxis lässt die umfassende Information jedoch immer noch zu wünschen übrig. 

Fortpflanzungsmedizin ist ein lukrativer Geschäftszweig, auch deshalb drängt die Lobby auf die Zulassung immer weiterer Verfahren. Das Fortpflanzungsmedizingesetz wird entsprechend den Wünschen der Anbieter immer wieder aufs Neue angepasst. Individuelle Risiken und gesellschaftliche Auswirkungen werden ausgeblendet. Eine Debatte findet kaum noch statt. 

Die ethisch umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) wird seit einigen Jahren auch in der Schweiz durchgeführt. Zu den weiteren Wunschverfahren der Reproduktionsmedizin gehören die Eizellenspende und die Leihmutterschaft.

Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz

Die Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM) weist gegen 30 Zentren aus, universitäre und privat geführte, die im Bereich der künstlichen Befruchtung tätig sind. Über die Arbeitsgruppe FIVNAT werden in regelmässigen Abständen Statistiken veröffentlicht. Den Dokumentationen sind die Behandlungszahlen und die Geburtenraten nach künstlicher Befruchtung zu entnehmen. 2020 unterzogen sich 6237 Frauen einer künstlichen Befruchtung. Nach cirka 12’000 Behandlungszyklen wurden 2207 Kinder geboren. Die Geburtenrate liegt seit mehreren Jahren bei durchschnittlich 30%. Sie ist von mehreren Faktoren abhängig. So spielt das Alter der Frau eine Rolle. Aber auch die Art des Verfahrens ist von Bedeutung. Befruchtungen mittels eingefrorener Eizellen haben meist geringere Chancen auf Weiterentwicklung (nähere Angaben zur Statistik siehe Seitenspalte).

Die Verfahren sind teuer: Für einen Behandlungszyklus müssen zwischen 6000 und 10'000 Franken bezahlt werden. Die Krankenkassen übernehmen nur die Eingangsuntersuchung und teilweise die Kosten für die Hormonbehandlung. In der Regel sind drei Behandlungszyklen nötig, bevor eine Schwangerschaft eintritt – eine kostspielige Angelegenheit. 

Als Bewilligungsbehörde der Zentren fungieret das jeweilige kantonale Gesundheitsamt, das auch regelmässige Verlaufskontrollen durchführen sollte, um die Einhaltung der Vorschriften aus dem Fortpflanzungsmedizingesetz durch die Zentren zu überprüfen. Mangelhaft ist  die Aufklärung und Beratung, die gemäss Art. 6 FMedG auch die Risiken des Verfahrens umfassen muss. biorespect hat zu diesem Thema eine Recherche durchgeführt. Das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend. Die Ämter überprüfen zwar stichprobenartig, ob eine Aufklärung stattgefunden hat. Die Qualität und der Inhalt der Aufklärung jedoch werden nicht geprüft. Die öffentlich zugänglichen Informationsmaterialien der jeweiligen Reprozentren verweisen nur vage auf mögliche Risiken der künstlichen Befruchtung. 

Die Datenlage ist mangelhaft. Nähere Angaben über Probleme während der Behandlungen werden nicht aufgeführt. So ist nicht zu erkennen, wie häufig es zu Problemen bei den Hormongaben oder bei der Eizellentnahme kommt.

Risiken und Nebenwirkungen

Technische Fortpflanzungsverfahren sind nicht risikolos 

Risiken für Frauen

Das Prozedere einer IVF (In-vitro-Fertilisation) kann für alle Beteiligten psychisch belastend sein. Für Frauen bestehen auch physische Risiken. Für eine künstliche Befruchtung braucht es mehrere reife Eizellen. Frauen müssen sich deshalb einer Hormonbehandlung unterziehen, um möglichst viele Eizellen zu produzieren. Auch wenn heutzutage versucht wird, die Hormongaben so tief wie möglich zu halten, sind Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. In etwa 30 Prozent der Fälle kommt es zum Überstimulationssyndrom, das in einem bis fünf Prozent zu schweren Nebenwirkungen wie Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum, Atemnot, Vergrösserung der Eierstöcke, Leberfunktionsstörungen und in seltenen Fällen gar zum Tod führen kann. Die Entnahme der Eizellen ist ein invasiver Eingriff und mit Risiken behaftet. Es kann, wie bei jedem operativen Eingriff, zu Entzündungen oder Verletzungen kommen. Um die Chancen auf eine erfolgreiche Befruchtung zu erhöhen, werden so viele Eizellen wie möglich entnommen, meist ein Dutzend oder mehr. 

Risiken für Frauen und Kinder

Das Risiko einer Fehlgeburt ist nach einer künstlichen Befruchtung doppelt so hoch wie nach einer spontanen Befruchtung. Das Geburtsgewicht im Reagenzglas gezeugter Kinder ist im Durchschnitt niedriger und sie weisen ein höheres Fehlbildungsrisiko auf. Die Frühgeburtenrate ist erhöht. Zudem stehen die Verfahren der künstlichen Befruchtung in Verdacht, Krebs zu begünstigen sowie die kognitive Entwicklung im Kindesalter zu beeinträchtigen. Neuere Studien attestieren so gezeugten Kindern in späteren Jahren eine erhöhte Anfälligkeit für Herz-Kreislauferkrankungen. Ein Nebeneffekt bei der künstlichen Befruchtung sind Mehrlingsschwangerschaften. Die internationale Tendenz zeigt, dass möglichst nur noch ein Embryo übertragen wird, so dass dieses Risiko künftig gesenkt werden könnte. Zurzeit werden häufig noch zwei Embryonen in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. Mehrlingschwangerschaften sind mit einem höheren Schwangerschafts- und Geburtsrisiko verbunden. Die Kinder haben ein geringeres Geburtsgewicht und ihre Entwicklung kann verzögert sein. 

Aufklärung zwingend nötig

Eine umfassende Aufklärung über mögliche Risiken der Verfahren ist essenziell. Ob diese nicht-direktive Aufklärung durch die Reprozentren selbst geleistet werden kann, ist fraglich. Eine freie Entscheidung für oder gegen ein Verfahren kann nur durch eine ausführliche Information zu Nutzen und Risiken erfolgen. Frauen respektive Paare haben ein Anrecht auf eine umfassende Aufklärung auch zu möglichen Risiken. Nur unabhängige Beratungsstellen können eine ausgewogene und neutrale Beratung leisten.